Digital off limit Detector, painting, 2004, acrylic on canvas, 35 x 48 cm
Flight Recorder 24 hours, 2003, acrylic on canvas, 35 x 48 cm







(...*) Auf erster Ebene entstehen Formen der Selbstbezüglichkeit, der semiotischen Verdoppelung zwischen Bild durch Text, Text durch Bild. Es sind Zeichen die beginnen, sich selbst zu bezeichnen. Foucault schrieb in Bezug auf Magritte vom ´´Fehlen eines gemeinsamen Ortes zwischen den Zeichen der Schrift und den Linien des Bildes´´3, spricht von einer ´Schattenpfeife´. Diese Signifikanten ohne Signifikat finden sich heute zudem perpetuiert in prozessierten Bildern.
Auf dieser zweiten Ebene der Medienkreuzung folgt dann die Frage nach dem Prozess der Übersetzung, der maschinischen Übersetzung und schließlich der individuellen, der mentalen (Rück-)Übersetzung. Divergenz oder Analogie? Es geschieht eine Engführung von menschlicher Wahrnehmung und dem Dechiffrierprozess einer datenverarbeitenden Maschine, eine Gleichsetzung mit einer bloßen ´Übersetzungs- oder Dechiffriermaschine´, einem ´Maschinenempfänger´ (Moles). Malerei meint dann ein ´Mensch-Maschine Interface´ (Kittler), Wahrnehmung eine posteditierte Maschinenübersetzung, ein Korrigieren/Revidieren/Integrieren eines zuvor maschinell übersetzten oder aber gar generierten Textes. Fuchs adaptiert - so gesehen - die Methode, ein Bild mit Hilfe des Computers durch seine Verwandlung in numerische Daten zu zergliedern, um es dann zu resynthetisieren. Sie untersucht ´die Materialität und nicht die Idealität´ des Mediums Malerei, ihre ´Kanalkapazität´ (Moles). Das semantische Material wird quasi neutralisiert, als bloße Information weitertransportiert, zugleich transferiert. Abraham Moles, Pionier der Informationstheorie, definiert beispielsweise das Geräusch vor dem Begriff der Intentionalität. ´´Es gibt keinen morphologischen Unterschied zwischen Geräusch/Störung und Signal. (...) Ein Geräusch ist eine Nachricht, die man nicht senden wollte.´´4 Die Formen existieren in diesem Sinne nicht an sich, sondern ´´sind nur als ´Wahrgenommene´ vorhanden, sie sind ´auf die Nachricht angewandte Produkte des Empfängers´´´.5
Bedeutung liegt demnach auch nicht im Objekt oder Ereignis selbst, sondern wird von einem Beobachter zugesprochen. Überträgt man den Gedanken nun auf die kulturelle Bedeutung des/eines Kunstwerks allgemein, auf dessen Valorisierung (Groys), so folgt daraus, dass ´´Bedeutung auf einem Zusammenspiel von Konventionen, die dem Sender und dem Empfänger von vornherein bekannt sind´´6, beruht.
Vor dem Hintergrund medialer, technifizierter Übersetzungsvorgänge entsteht schließlich die Frage nach der Rückübertragung, des Einschreibens beim Subjekt, sprich nach der individuellen Wahrnehmung. Im Modell Mensch = Maschine und Wahrnehmung = maschinische Datenverarbeitung werden Rückkoppelungen, oben skizzierte Analogien, wie auch Differenzen ´sichtbar´. ´´So gesehen, ist der Sender nicht mehr streng standardisiert, sondern personalisiert. Mit der ästhetischen Information taucht die Personalisierung der Nachricht auf.´´7

Eine weitere, nennen wir sie dritte Ebene der Lesbarkeit: die Maschinen sind heute ´unsichtbar´. Fuchs rekurriert somit auf einen noch prä-digitalen, analogen, einen optischen Blick. Diese Übersetzungsvorgänge und Apparaturen befinden sich heute außerhalb, besser: jenseits der Sichtbarkeit. Die Kontroll- und visuellen Zentren der ´Blicke´ liegen im Unsichtbaren, im Prozessierten, in Datenströmen. Die Kontrolle via Sichtbarkeit versagt spätestens an dieser Stelle, ´sieht´ heute ihr eigenes Unvermögen.
So gesehen entwirft Fuchs quasi eine ´blinde Archäologie des Medialen´, der Kanäle. Nostalgy meets Science Fiction: lesbar wird angesichts der Abbilder ´alter Maschinen´ vielmehr das Imago und Phantasma des Technologischen selbst, die nach vorwärts ´erinnerte´ Idee der Progression, der Glaube an ein stets durch die Technik evoziertes Danach. Es ist dies eine Fabrikation des permanenten Aufschubs, die Inszenierung der Progression selbst. Diese Chiffre des Technischen, also der technisierten Messung, der Kontrolle via Technologie, denotiert schließlich zugleich eine politische Dimension, eine Utopie. ´´So führt die ´Verfügbarkeit´ von Information zur Annahme einer verbesserten Mitbestimmung. (...), die öffentliche Einführung des Computers als eine Kreuzung zwischen paranoiden Überlegenheitsphantasien und der Illusion technischer Unfehlbarkeit.´´8
Fuchs aktiviert eine ´Matrix kollektiver Erinnerung´. Sowohl in den Malereien als auch in deren Integral, deren Einbindung ins Layout, dem intermedialen Gefüge aus Text, Bild (Malerei) und Wandbild (Grafik), bilden Leerstellen den eigentlichen ´Text´. Das Raster aus weißen Flecken, den Zwischenräumen, evoziert eine (nostalgische) Aufladung kollektiven Erinnerns medialer, technischer Selbstrepräsentation/-inszenierung und ihrer Ideologie. Fuchs malt, die Auslassungen neu zu platzieren, recherchiert die innerbildliche ´suture´ (Naht) zwischen erinnertem, neu-gelesenem ´Film´ und ´Original´. Malerei fungiert als Testfeld, als Ebene des semiotischen Tauschs und der visuellen Angleichung, als polysemantisches Tableau. Die Fiktion als medien-/malerei-immanentes Moment formuliert sich als Fraktales, quasi um eine Leerstelle konfiguriert.
(...)




David Komary

in accept all cookies (Textauszug)
Katalog zur Ausstellung, 2005 /KünstlerInnen: Agnes Fuchs, Haroon Mirza
http://www.dreizehnzwei-archive.net/accepttext.html 

 


1 Felix Guattari, "Über Maschinen", in: Henning Schmidgen (Hg.), "Ästhetik und Maschinismus", Berlin: Merve Verlag, 1995, S. 121.
2 Jörg Brauns, "Dispositive. Überlegungen zur Ausdifferenzierung von Mediensystemen im 19. Jahrhundert", http://www.uni-weimar.de/~brauns/dispositive-vortrag.pdf
3 Michel Foucault, "Dies ist keine Pfeife", Carl Hanser Verlag Münschen Wien, 1997 (orig. 1973), S. 21.
4 Abraham A. Moles, "Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung", Verlag DuMont Köln, 1971, S. 116.
5 Abraham A. Moles, "Kunst und Computer",Verlag DuMont Köln, 1973, S. 52
6 Abraham A. Moles, "Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung", Verlag DuMont Köln, 1971, S. 259
7 Abraham A. Moles, "Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung", Verlag DuMont Köln, 1971, S. 172.
8 Timothy Druckrey, "Diabolische Unsichtbarkeit", in: "Information. Macht. Krieg", Ars Electronica 1998, http://www.aec.at/de/archiv_files/19982/1998a_290.pdf