Installation view
/ Messkreislauf, setting 2007. /
Nomogramm, Miniwatt Tachenbuch, 1963, 2006/7
Lissajous Figure. video-DVD Loop, variabel
DE-/RECONSTRUCTING
A ROOM ON SCIENCE AND TECHNOLOGY
MEASURING FIELD OF VIEW
Zur visuellen Disposivität und Rekursivität
in den Malereien und Installationen von Agnes Fuchs
Text: David Komary, 2007.
(...)
1/ Operational test: Reproduzieren, Lesen, Übersetzen
Fuchs inszeniert ein Messsystem, das zum Teil außer Betrieb zu sein
scheint - Aufzeichnung im Selbstwiderspruch also. Bloß das messende und übertragende,
datenverarbeitende System bleibt sichtbar bzw. der Beobachtung zugänglich.
Als einzig erkennbares "Messresultat" erscheint eine Lissajous-Kurve,
die visuelle Spur eines Oszilloskops. (...)
Nicht
die Aufzeichnung oder die Repräsentation eines externen, gegebenen,
"realen" Sachverhalts sind von Interesse, sondern die diskreten,
a-visuellen (unsichtbaren) datenverarbeitenden Prozeduren des Zeichentransfers.
Fuchs zeichnet eine Topologie medialer Verweise, des symbolischen Transfers
und Wandels. Die Messstation bildet darin das Feld der symbolischen Manipulationen,
eine Mediosphäre - ein intermediales Tableau zeichenhafter Verschaltung,
Übersetzung und Transkodierung. (...)
4/ Malerei als "Mensch-Maschine-Interface"
Wie lassen sich die medialen Rückkoppelungen auf die ästhetische
Wahrnehmung und das Verhältnis Subjekt-Maschine beschreiben? Wie
werden Medien, Apparate - bzw. deren Apperzeptionsangebote und rekursive
Effekte auf die Konstruktion von Information, Kommunikation und Kognition-angeeignet? Wo zeigt sich Kongruenz, wo Widerständigkeit und Resistenz?
In ihrer Malerei stellt Agnes Fuchs bereits früh das dichotome Schema
von Subjekt-Objekt, von Innen und Außen zur Disposition. Bereits
in "Die Distanz der Zweiäugigkeit" (1992) untersucht die
Künstlerin das dialektische Verhältnis Innen-Außen als
vermeintliche Komplementarität. In den "Porträts"
informationsverarbeitender Maschinen (seit 2002) erscheint dann das Subjekt-Objekt-Schema
geradezu invertiert, ontologisch umgruppiert: Die Künstlerin malt
Bilder von Messgeräten, genauer: sie malt Bilder von Bildern dieser
Geräte, übersetzt die Fotografien der Geräte inklusive
deskriptiver Texte (Geräte-/Funktionsbeschreibungen) in Malerei.
Fuchs nähert sich in dieser auktorialen Selbstreduktion den entpersonalisierten
apparativen Übersetzungsvorgängen des dargestellten Messgeräts
an, um nach Analogien wie auch Differenzen zu fragen. Beide, Maschine
wie auch Künstlerin, reproduzieren, codieren, übersetzen und
übertragen.
(...)
Doch worin liegt der Unterschied zwischen Messung und Perzeption, zwischen
Aufzeichnung und Wahrnehmung, Divergenz und Analogie? Was geschieht in
der individuellen, mentalen Rückübersetzung der ästhetischen
Wahrnehmung beim Betrachter? Die Künstlerin bleibt die Antwort schlichtweg
schuldig, lässt sie stets in Paradoxien und Tautologien münden
und verweigert eine Wertung oder Valorisierung der einen wie der anderen
Seite. Stets bleibt Beobachtung rekursiv auf sich selbst bezogen, das
heißt systemrelativ. Das Begehren nach einem Außen, die Subjekt-Objekt-Binarität
erscheint als obsoletes essentialistisches Schema. Wiederum ist nicht
das Signifikat (das Gerät) von Interesse, sondern einzig der Vorgang
der Übertragung und zeichenhaften Übersetzung.
(...)
in:
About Systems and Instruments.
Beobachtungen 2-ter Ordnung.
Schlebrügge Editor, 2007
ISBN 978-3-85160-121-3
Textauszug
David Komary, 2007 MEASURING FIELD OF VIEW
Zur
visuellen Disposivität und Rekursivität in den Malereien
und
Installationen von Agnes Fuchs
In:
About Systems and Instruments. Beobachtungen 2-ter Ordnung
Agnes Fuchs, Neue Galerie Graz. Schlebrügge Editor, 2007
ISBN 978-3-85160-121-3
10
Vgl. Abraham A. Moles: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung.
Köln: DuMont 1971, S. 88.
11
Ebd., S. 93.
12
Ernst von Glasersfeld: Einführung in den radikalen Konstruktivismus.
In: Die erfundene Wirklichkeit.
Hg. v. Paul Watzlawick. München: Piper 1981, S. 37.
13
Hans Ulrich Reck: Flügelschlag der Sehnsucht. Ein Versuch über
das Ephemere und das Denken. In: Heute
ist Morgen. Über die Zukunft von Erfahrung und Konstruktion. Ostfildern-Ruit:
Hatje Cantz 2000, S. 181.
14
Vgl. Niklas Luhmann: Die Beobachtung erster und die Beobachtung zweiter
Ordnung. In: Niklas Luhmann:
Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997, S. 92-163.
15
Vgl. Nelson Goodman: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp
1984.
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